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Lein-Misteli
«Die Franzosen sind die Besten»
Matthias Mistelis Feld mit dem blauen Blütenmeer liegt etwas ausserhalb des Dorfes Etziken im Solothurner Mittelland. Seit ein paar Jahren gelingt dem Biolandwirt der ebenso schöne wie anspruchsvolle Anbau von Bio-Lein. Aus den winzigen Samen entsteht ein grossartiges Öl für Biofarm.
Morgenmuffel haben das Nachsehen. Sie können das blaue Wunder auf dem Feld der Mistelis verpassen, denn bereits ab Mittag fallen die zarten Blüten zu Boden, und erst am nächsten Tag in der Früh öffnen sich neue Blümchen. «C’est juin qui fait le lin» (der Juni macht den Lein), sagt ein französisches Sprichwort. An diesem Juni-Vormittag schart sich eine bunte Reihe Frühaufsteher*innen um Matthias Misteli und seinen Vater Ruedi. Lebensgefährtin Nora und die Kinder vom Hof sind mitgekommen, um die Besucherin zu einem traumhaften Flecken Kulturland zu begleiten. Der betörende Anblick lässt schwer verstehen, wie gerade eine solch wertvolle Kulturpflanze fast ganz aus den Schweizer Feldern verschwinden konnte. Umso mehr, als man weiss, dass sie neben ihrem hochwertigen Öl zu vielseitigen Verwendungsmöglichkeiten taugt und ein Segen ist für die Natur. Ein Bio-Leinfeld sorgt für den Erhalt der Artenvielfalt, bietet es doch Bodenbrütern und gefährdeten Pflanzen den notwendigen Lebensraum.
Die Felder nicht mehr kaputt machen
«Der Anbau von Bio-Lein wurde 2005 als Projekt der Biofarm gestartet, und seither konnten wir die Aussaatfläche stetig ausdehnen», erklärt Hans-Georg Kessler, Fachmann für Ölsaaten bei der Genossenschaft in Kleindietwil BE. Biobauer Matthias Misteli gehört zu den erfahrenen Produzenten, die sich heute in der Schweiz mit bewundernswerter Beharrlichkeit und Erfolg für diese Kultur stark machen. Der Lein hat es ihm anfangs nicht immer einfach gemacht. Zehn Jahre lang hatte der gelernte Landwirt konventionell gebauert. Er erklärt: «Mir hat das nicht mehr gepasst; ich hatte das Gefühl, wir machen die Felder kaputt, wo doch so viele Menschen von unserer Arbeit leben.» Für CHF 6'000 pro Jahr habe er früher die Spritzmittel gekauft und für ebenso viel den Kunstdünger. Alle seine Tiere hätten zwar schon vor der Umstellung auf Bio genügend Auslauf gehabt, im Ackerbau jedoch sah er Probleme. Er liess sich beraten, besuchte einen Kurs nach dem anderen, denn immer spannender sei für ihn die ökologische Wirtschaftsweise geworden. «Wenn ich etwas mache, dann ziehe ich es durch», sagt er. Jahrelang habe er gebauert, sich aber viel zu wenig mit der Natur befasst, quittiert er die Zeit «davor». Vater Ruedi, der im Alter von 55 Jahren seinem damals 30-jährigen Sohn den Hof überlassen hatte, zog ebenfalls mit. «Heute geht er auf die Getreidefelder und reisst die Klebern von Hand aus», so Matthias Misteli.
Drei schöne Tage
Auf den Lein kam der Solothurner, weil er von je her auf seinem Betrieb den Mähdrescher selber fährt. Nachdem die Mutter gestorben war, die sich viele Jahre dem Kartoffelanbau gewidmet hatte, war er auf der Suche nach einer Kultur zum Dreschen. Jeweils im August, wenn sein Lein reif ist, fährt er mit der alten Landmaschine – ausgerüstet mit einem Doppelmesser-Frontmähwerk – über den Leinacker. Er mäht das Erntegut zu sogenannten «Schwaden» und lässt diese nachtrocknen. «Drei schöne, trockene Tage braucht es schon dazu», betont er. Für Matthias Misteli ist klar, dass diese Kultur auch bei der Ernte besondere Sorgfalt voraussetzt, denn es sind hohe Verluste in Kauf zu nehmen, wenn er die kleinen Kapseln mit ihren winzigen Samen nicht gut ausdrischt. Über die Jahre hat er im April schon verschiedene Samen aus biologischem Saatgut in den gut vorbereiteten Boden gesät. Darunter sind edle Namen, wie «Princesse», «Marquise» oder «Galante». «Die Franzosen sind die Besten», findet Matthias Misteli und lacht.
Die wohl grösste Herausforderung im Anbau einer Bio-Nischenkultur wie Lein ist und bleibt das Unkraut. Hans-Georg Kessler erläutert: «Sei es die Saat auf Parzellen mit geringem Unkrautdruck, die richtige Bodenbearbeitung mit Unkrautkuren, oder seien es angepasste Pflegemassnahmen: Die richtige Strategie ist meist abhängig von den Möglichkeiten des Betriebs und, wie so oft, vom Wetter.» Der Fachmann fügt hinzu, dass aus Erfahrung der Leinanbau bezüglich des Unkrauts am heikelsten sei, wenn er – wie in Etziken der Fall – in Frühlingssaat angebaut werde. Auch das noch! Und deshalb: Chapeau, Monsieur Misteli!
Autorin: Sabine Lubow
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Biohof Misteli
Matthias Misteli (1971) und Nora Schiltknecht (1989) mit Magdalena, Theo, Jonathan, Ursin und Anika
Hofübernahme: 2001
Umstellung auf Bio: 2011
- Landwirtschaftliche Nutzfläche 33 ha
- Ackerbau: Öllein, Speisehafer, Weizen, Gerste, Soja, Buchweizen, Mais
- Grünland: Kunst-, Natur- und Ökowiesen, Weiden
- Gemüse: Tomaten, Gurken, Zucchetti, Kürbisse, Artischocken
- 100 Hochstammobstbäume: Äpfel, Birnen, Kirschen, Zwetschgen, Pflaumen, Mostobst, Nashi-Birnen
- Tiere: 40 Milchkühe, 3 Mutterkühe, 40 Mutterschweine, 3 Geissen, 15 Hühner, 3 Perlhühner, 6 Enten, 1 Wollsau mit Jungen
- Fleischverkauf ab Hof
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