Wein-Lenz

Die Weine des Umdenkens

Roland und Karin Lenz haben ihr Weingut vom Iselisberg bei Frauenfeld pionierhaft aufgebaut. Hinter ihren charaktervollen Weinen stecken Überzeugung, Innovationskraft und sehr viel Arbeit. Das zeigen auch die speziell für Biofarm kreierten Unikate «bodenständig».

Dass dieser Weinbaubetrieb im Kanton Thurgau auf Anhieb wie ein besonderer Arbeitsort wirkt, ist nicht nur seinem anmutigen Umfeld zu verdanken. Beim Betreten des Abfüllkellers fallen Ruhe und Freundlichkeit auf. Die strahlen alle aus, die hier am Werk sind – vom Lehrling, der die Flaschen vorbereitet, bis zu den Mitarbeitenden, die mit den Kartonschachteln hantieren. Auf der Leiter am grossen Edelstahltank steht Roland Lenz. Tief konzentriert prüft er dessen Inhalt. Nur wenige Meter davon entfernt wird in Kürze die Abfüllanlage eingeschalten. Darüber, im grossen Trichter, liegen die Korken aus nachwachsendem Rohstoff bereit. Der Chef geht nochmals die Einstellungen durch. Alles ist sortiert, griffbereit, aufgeschichtet. Auch die Maschine mit den bordeauxroten Flaschenetiketten ist startklar. Im Vorraum wartet der Gabelstapler, in der Einfahrt vor dem Gebäude der Camion für den Abtransport. Jede und jeder weiss, was zu tun ist. Und schon geht’s los, durchgetaktet, ganz ohne Hektik. Auf dem Förderband kommen die ersten Flaschen für den neuen Jahrgang der Biofarm-Weine «bodenständig» in Bewegung. Ihre Abfüllmusik erfüllt den Raum gerade so, als prosteten sie sich zum Wohle zu.

«Der junge Lenz spinnt»

Für die Arbeit im Keller sind nach der Traubenernte ebenso strenge Richtlinien angesagt wie in den Weingärten. Seit 2019 ist der Betrieb von Roland und Karin Lenz Demeter-zertifiziert. Draussen wie drinnen wenden sie so wenig Technik, Hilfsstoffe und Zusätze an wie möglich. Auch im Keller soll die Qualität der biodynamischen Früchte für den weiteren Prozess erhalten bleiben.Als sich Roland Lenz 1993 nach einem Abstecher zum Gerüstbau ganz für den Weinbau entschied und mit acht Hektaren Rebland begann, war schnell klar, dass er auf Qualität und auf Bio setzen wollte. Der junge Winzer hatte eine Allergie und sehr oft Kopfschmerzen. Das war ihm suspekt: «Ich wollte mich vor den chemisch-synthetischen Mitteln im Einsatz schützen. Es musste doch auch ohne das gehen», erzählt er. Als erstes riss er bestehende Müller-Thurgau- und Pinot-Noir-Reben aus und pflanzte 1994 die ersten PIWI-Sorten – pilzwiderstandsfähige Trauben, die wenig Pflanzenschutz brauchen. «Der junge Lenz spinnt», habe es rundum geheissen. Fünf Jahre später setzte anhaltend schlechtes Wetter den Reben vom Iselisberg aber dermassen zu, dass der Betrieb ohne Spritzen nicht überlebt hätte. Roland und Karin Lenz beschlossen damals, in der chilenischen Region Biobio ein zweites Standbein aufzubauen. Sie kannten das Land von Reisen und wussten, dass die warmen, trockenen Bedingungen dort ihren Vorstellungen vom biologischen Weinbau entsprachen. Zwischen 1999 bis 2006 verbrachte Roland Lenz jährlich vier Monate in Südamerika, während seine Frau für den Betrieb und die Kinder im Thurgau sorgte. 2021 wurde das chilenische Gut verkauft. «Mit einem lachenden und einem weinenden Auge», so Roland Lenz, «waren doch gerade die menschlichen Begegnungen aussergewöhnlich.»

Dinkel und Drohnen

Ab 2006 stellte Familie Lenz auch ihre Ostschweizer Reben wieder auf Bio um. Dank zunehmender Erfahrungswerte gelang dies mit nachhaltigem Erfolg. Roland Lenz: «Unsere Urväter haben sehr Vieles richtig gemacht, und sie haben stabile Systeme geschaffen.». Der Betriebsleiter ist überzeugt, dass auch Winzerinnen und Winzer die Lebenskreisläufe in den Weingärten renaturieren müssen. Auf dem Iselisberg wird dies tatkräftig umgesetzt – insbesondere mit Mischkulturen: Bäume, Sträucher, Hecken, Getreide wie Dinkel und Hafer gedeihen hier. Davon profitieren alle. Ebenso kommt modernste Technik zum Zug, aber nur, wenn es zur Philosophie des Betriebes passt. Der Winzer erklärt: «Wir haben eine Drohne angeschafft und bringen damit die homöopathischen und pflanzenstärkenden Mittel aus; für die biodynamischen Präparate brauchen wir weiterhin die Hände.» Dort, wo die Ouessant-Schafe in den Reben nicht weiden und ihren guten, natürlichen Dünger hinterlassen können, ist ebenfalls Handarbeit angesagt. Mit der Sense sei das Mähen viel effizienter, findet der Winzer. Mit gleichmässigem Schwung und Rhythmus spielt dann sein sympathisches Team eine uralte, heutzutage geradezu visionäre Musik. Es ist die einer respektvollen, wohltuenden Bodenständigkeit.

Autorin: Sabine Lubow

Dazugehörige Produkte

Weingut Lenz

Roland (1970) und Karin Lenz (1970) mit Pascal und Rahel
7 Mitarbeitende (Voll- und Teilzeit)

Betriebsgründung: 1994

Bio-Knospe: 2006 / Demeter-zertifiziert: 2020

  • Rebfläche: 22 ha; 5 ha Biodiversitätsflächen und Mischkulturen:
  • 1'000 div. Bäume – Mandeln, Maulbeeren, Pfirsiche, Robustikosen, Hasel-, Walnüsse; 60 Hochstämmer (80% Äpfel und Birnen)
  • div. Kräuter; Sträucher (Hagebutten, Sanddorn) und Getreide (Hafer, Dinkel)
  • Zusammenarbeit mit 80 Ouessant-Schafen
  • www.weingut-lenz.ch
Copyright © Biofarm Genossenschaft | Umsetzung durch BIWAC