Zwetschgen-Spycher

Auf die Leiter gehen heute nicht mehr alle…

Von weitem ist der Hang mit den Hochstammbäumen sichtbar. Hinten im Dorf, oberhalb der Kirche, stehen sie in Reih und Glied. Fast möchte man meinen, die Früchte rollten direkt ins Dorf. Oltinger Zwetschgen haben Tradition. Auch bei Familie Spycher-Gass und ihrer Arbeit für Biofarm.

Diesbezüglich sind sich Schweizer Obstspezialisten einig: Nirgendwo sonst im Land gibt es so viele gute, alte und geeignete Sorten an Verarbeitungszwetschgen wie im Baselbiet und im Fricktal. Biofarm übernimmt sie seit vielen Jahren von Biobauernfamilien in den Mengen und Sorten, die jeweils anfallen. Das sei weder einfach noch selbstverständlich, erklären die Fachleute der Genossenschaft in Kleindietwil BE. Gerade bei Zwetschgen fallen die Ernten sehr unterschiedlich aus. Bei gleichem Baumbestand kann zwischen einer und über 30 Tonnen pro Jahr alles möglich sein.

Geschmackvoll und vom «Wätschgernäscht»

Seit über 20 Jahren liefert Familie Gass vom Rötihof in Oltingen regelmässig an Biofarm. Biolandwirt Hannes Gass erinnert sich: «Sie haben sich immer eingesetzt für faire Preise - sie geben sich Mühe mit der Vermarktung, und wir geben uns Mühe mit der Lieferung.» In dem als Zwetschgennest («Wätschgernäscht») bekannten Dorf sind noch die letzten verbliebenen Hauszwetschgengärten der Schweiz zu finden. Bis ins 17. Jahrhundert zurück reicht dort ihre Geschichte. Trotzdem sind im idyllisch auf 576 M.ü.M. in den Jurahügeln eingebetteten Oltingen mit seiner altgotischen Kirche und den traditionsreichen Häusern die Uhren nicht stehengeblieben. Auch nicht bei Familie Gass. Nach der Lehre zur Bankkauffrau, einigen Jahren im Journalismus und einem Aufenthalt in Australien zog es Tochter Stefanie zurück zu den Wurzeln. Sie absolvierte die Ausbildung zur Landwirtin EFZ mit Fachrichtung Biolandbau und übernahm zusammen mit ihrem Mann Rolf Spycher den Hof ihrer Eltern Hannes und Sonja Gass. «Ich habe schon immer gerne geholfen», erklärt die mittlerweile dreifache Mutter. Auch ihr Mann ist im Oberbaselbiet aufgewachsen; auf einem Bauernhof in Rothenfluh. Nach der Doppelausbildung zum Forstwart und zum Strassenbau-Polier kehrte er zur Landwirtschaft zurück: «Obwohl ich von Kindsbeinen an mit dem Bauern vertraut war, wollte ich im Hinblick auf unsere gemeinsame Betriebsübernahme eine Landwirtschaftslehre mit Spezialrichtung Biolandbau dranhängen. Die Schule hat mir vor allem auch punkto Tierhaltung und Zucht viel gebracht.» Rolf Spycher war hochmotiviert, schloss im Rang ab und setzt das erworbene Fachwissen auf dem Rötihof um. Mit Schweizer Fleckvieh ist die Milchwirtschaft Haupterwerbszweig des jungen Betriebsleiterpaars.

Fellenberger, Bühler oder Tegera?

Das über 150 Jahre alte Bauernhaus von Stefanies Urgrossvater hat die neue Generation frisch renoviert. Es entspricht nun den Bedürfnissen der fünfköpfigen Familie wie auch denjenigen der Vorgängergeneration. Die Eltern und Grosseltern Hannes und Sonja Gass bleiben auf dem Hof beschäftigt. Alles unter Dach und Fach? «Man muss jeden Tag schauen, dass es geht, auch wenn die Interessen zuweilen verschieden sind: Wir bringen es hin», sagt Rolf Spycher. Apropos Unterschiede: Wie steht es mit den Zwetschgen? Seine Frau mag alle Sorten vom Rötihof, ob Hauszwetschgen, Fellenberger oder Bühler: «Von der Grösse und vom Geschmack her besonders fein sind auch unsere Tafelzwetschgen Tegera. Ich mag sie besonders im Auflauf mit Gries», schiebt sie nach. Ihres Vaters Vorliebe gilt der Zwetschgenkonfitüre, während Rolf Spycher für das heisse Obst mit Vanille-Glacé oder eine feine «Wahje» schwärmt. Mutter Sonja Gass mag die Früchte am liebsten frisch vom Baum.

Heutzutage beginnt die Ernte schon im August und dauert kürzer als früher. Sonja Gass erinnert sich: «Wir begannen im September, Familienmitglieder, Pensionierte und Bekannte kamen. Heute ist es ein Glücksfall, wenn man Leute findet, die gerne helfen. Viele haben den Bezug zur Landwirtschaft verloren.» Dabei gäbe es gute Gründe, sich als Erntehelfer zu engagieren: «Es ist eine schöne Arbeit, wir hatten immer angeregte Diskussionen von einer Leiter zur anderen.» Doch auch auf die Leiter gehen nicht mehr alle. «Eine 10-Meter-Leiter an den Baum stellen, das verlangt Technik. Die richtige Astgabel will gewählt sein, und am Hang ist erst noch alles schwerer», weiss Hannes Gass und ergänzt: «Sauber ernten ist wichtig, aber erste Priorität hat stets die Unfallverhütung. Wir binden an und arbeiten mit Stützen.» Denn darin stimmen bis zu den Kleinsten alle zu: Die süssesten Früchte hängen ganz zuoberst.

Autorin: Sabine Lubow

Dazugehörige Produkte

Menschen, Tiere und Hof auf einen Blick

Biohof Rötihof

Rolf (1982) und Stefanie (1984) Spycher-Gass
mit Julia und Lena (2014) und Ronja (2018)

Hofübernahme: 2017

Umstellung auf Bio: 1995

  • Landwirtschaftliche Nutzfläche 36 ha
  • Ackerbau: Weizen, UrDinkel, Triticale, Mais, Getreide-Leguminosen-Mischung
  • Obst (300 Hochstammbäume): Zwetschgen, Kirschen, Äpfel, Birnen, Quitten, Pflaumen; Baumnüsse
  • Gemüse: Kartoffeln, Rüebli, Randen
  • Tiere: 28 Milchkühe (Schweizer Fleckvieh) mit Eigenaufzucht,20 Hühner je 2 Enten, Katzen, Hund und Hasen
  • Hofladen

 

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