Rhabarber

«Hier wohnen und arbeiten ist ein Privileg»

Mitte Mai bis Mitte Juni herrscht Hochbetrieb auf dem Rhabarberfeld in Titterten BL. In einem der schönsten Hochstamm- und Wanderparadiese der Nordwestschweiz ernten Bruno und Andrea Abächerli mit helfenden Händen rund 500 Kilo saftige Stängel pro Saison für Biofarm. 

Von Island bis Sizilien hat er sich als Dauergast in den Hausgärten etabliert. Der robuste Rhabarber reift in vielen Ländern als lang ersehnter Vorbote hellerer, wärmerer Tage. Als Freilandgemüse wächst er in grösserem Stil auf dem Biobetrieb von Familie Abächerli im Baselbiet. Seit 2018 ist die Biofarm-Genossenschaft im Kanton Bern Grossabnehmerin eines Teils ihrer Ernte. Am Rand des 23 Aren grossen Ackers angelangt, machen sich Bruno und Andrea Abächerli ans Werk. In Windeseile sind ihre Arme voll mit Riesensträussen. Sicher und genau ist ihr Blick für den richtigen Reifegrad der Stängel, ihre kleinen Küchenmesser blitzen, jeder Handgriff sitzt. Schon segeln kräftige Blätter zu Boden, und ruckzuck füllt sich eine Harasse nach der andern mit gleichförmigen Stängeln. «Die über Jahre mit Mist gedüngte und daher humusreiche Parzelle ist bestens für Rhabarber geeignet», sagt der Betriebsleiter und betont, dass trotz vermehrter Trockenheit im Hochsommer die Pflanzen erstaunlich gut mit der Wasserknappheit auskommen.

Zwei Jahre bis zur ersten Ernte

Sind im Februar/März die ersten Schösslinge an der Erdoberfläche zu erkennen, fährt Bruno Abächerli mit einer Reihenfräsmaschine durch den Acker. So kann er dem schnellwüchsigen Unkraut beikommen, das den jungen Rhabarberpflanzen auf dem von Weiden umgebenen Feld nur allzu schnell das Licht wegnimmt. Zur Stärkung erhält die Kultur zudem organischen Mineraldünger. Vor Beginn der Ernte wird die Erde zwischen den Reihen nochmals von Hand mit der Hacke aufgelockert. Hat dieses robuste Gemüse Feinde? «Feldmäuse knabbern die Wurzeln an und unterlochen mit ihren Gängen den Acker», gibt der Landwirt zu bedenken. Schon bald will er ein neues Rhabarberfeld anlegen. Für Bio-Rabarber gebe es aber keinen grossen Setzlingsmarkt, und zwei Jahre vergingen, bevor die Setzlinge eine erste Ernte lieferten, erklärt er.

«Nah bei uns Bauern»

Auf dem Hof angelangt, werden die Stängel sorgfältig geputzt, geschnitten und flach ausgelegt, damit sie beim Tiefgefrieren nicht vereisen. Tiefgefroren kommen sie später in Kartonschachteln, werden etikettiert und für den Abtransport an Biofarm bereitgemacht. Bruno Abächerli erzählt: «Wir sind auch Genossenschafter, denn wir schätzen die unkomplizierte Zusammenarbeit – das Biofarm-Team setzt sich ein für uns, es ist nah bei uns Bauern, sorgt sich um die Abnahme unserer Produkte und handelt faire Preise aus.» Familie Abächerli liefert auch Kirschen und von Hand entsteinte Zwetschgen von ihren Hochstammbäumen an die Genossenschaft. So tat es bereits ihr Vorgänger vom Hof Retschen, Biobauer Hannes Schweizer. Bei diesem hatte Bruno Abächerli, der aus dem Kanton Obwalden stammt, eines seiner Lehrjahre absolviert.

Wie eine grosse Familie 

Der Zufall wollte, dass er zwei Jahre später zusammen mit seiner Frau Andrea den vielseitigen und idyllisch von Wald und Wiesen eingebetteten Biobetrieb mit Milchwirtschaft übernehmen konnte. «Die Menschen hier sind sehr offen, wir schätzen ihre freundschaftliche Art und diese weitläufige Landschaft», sagt Andrea Abächerli. Die Pflegefachfrau aus Nidwalden «testete» die neue Heimat bei der Hofübernahme beruflich auch in Basel. Inzwischen hat sich die Familie um zwei Buben vergrössert. Brunos Eltern, Fredy und Rita Abächerli, helfen mit, und der Betrieb bietet jährlich einen landwirtschaftlichen Ausbildungsplatz. In der intensiven Erntezeit mangelt es nicht an helfenden Händen, wenn die Vorgängerfamilie und deren Angehörigen zusammen mit den Familien aus beiden Halbkantonen der Innerschweiz anpacken. «Es ist ein Privileg, dass wir hier wohnen und arbeiten dürfen, und dass alle so mitmachen», freut sich Bruno Abächerli. Rhabarber gibt’s auf dem Hof «gut gesüsst» als Kompott, Götterspeise oder auf einer Wähe, gern kombiniert mit Äpfeln. Aromatischer Sirup entsteht aus den Kronen und den Resten der ungeraden Stücke. So bleibt alles auf der Zielgeraden bei den Nid- und Obwaldnern da «unten» im oberen Baselbiet.

Autorin: Sabine Lubow

Dazugehörige Produkte

Menschen, Tiere und Hof auf einen Blick 

Biohof Retschen

Bruno (1991) und Andrea (1989) Abächerli mit Sandro und Timon

Eltern Fredy und Rita Abächerli

Hofübernahme: 2015

Umstellung auf Bio: 1995

  • Landwirtschaftliche Nutzfläche 31 ha
  • Ackerbau: Urdinkel, Kunst- und Naturwiesen; Rhabarber
  • Ökoflächen; Wald
  • Obst: 172 Hochstammbäume: Kirschen, Zwetschgen
  • Tiere: 30 Milchkühe (Schweizer Fleckvieh), Hofhündin Kira, 1 Katze, 2 Hasen

 

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